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01.07.2025 - Internationale Gästegruppen

Andere Länder, andere Erwartungen

Erstes Bild von Andere Länder, andere Erwartungen Vom Frühstück bis zur Sauna-Nutzung: Wer internationale Gäste glücklich machen will, muss ihre Vorstellungen kennen – und hier und da umdenken. Mit einigen kleinen Maßnahmen lässt sich jedoch viel erreichen.

Klein und lauschig ist die Rezeption, liebevoll dekoriert und sanft beleuchtet, vielleicht sogar noch mit ein paar alten Mauer-Elementen und dunklen Balken. „Gemütlich“, denkt der Deutsche, der ganz bewusst ein Boutique-Hotel gebucht hat. „Haben die hier kein Geld für eine ordentliche Beleuchtung und ein paar moderne Möbel?“, mag dagegen dem chinesischen Gast durch den Kopf gehen: Seine Vorstellung von einem „guten“ Hotel ist mitunter eine völlig andere, als die Vision eines mitteleuropäischen Hoteliers. Nun muss man dazu sagen: 1,4 Milliarden Menschen über einen Kamm zu scheren, das wird wirklich nicht jedem gerecht. Erstaunlich repräsentativ sind solche Betrachtungen dennoch. Und chinesische Reisende sind nur eine Gästegruppe, die mit etwas anderen Vorstellungen anreist. US-amerikanische Reisende beispielsweise, obwohl kulturelle Unterschiede zum europäischen Festland gering erscheinen mögen, haben gerne von allem ein bisschen mehr: Sie erwarten unbedingt eine Klimaanlage im (möglichst großen) Zimmer, Wasser im Kühlschrank und ein üppiges Frühstückbuffet sowie einen sehr aufmerksamen, freundlichen Service. Eine Eiswürfelmaschine auf dem Gang ist kein Muss, gehört aber in den USA zur Grundausstattung. Japanische und indische Reisende oder Gäste aus dem orientalischen Raum haben wieder andere Vorstellungen, was das Hotelangebot und einen professionellen Service betrifft – und natürlich hat jede Kultur ganz eigene Besonderheiten!

Kultur – was ist das eigentlich?
„Kultur“ – an diesem Begriff arbeiten sich seit vielen Jahrzehnten Sozialwissenschaftler, Anthropologen, Kulturwissenschaftler, Psychologen und wer nicht noch alles ab, sodass es eine Vielfalt von Definitionen gibt. Tatsache ist: So ganz genau lassen sich Kulturen nicht abgrenzen, weder „gefühlt“ noch wissenschaftlich. Eine „Benimm-Krücke“, um interkulturelle Begegnungen passabel bewältigen zu können, gibt es dennoch: Die so genannten Kulturstandards. Dabei handelt es sich um die zentralen Regeln und Normen einer Kultur, die vorgeben, welches Verhalten als normal, annehmbar oder eben völlig unangemessen gilt. Die gute Botschaft ist: Man kann sie lernen, zumindest die wichtigsten. Die schlechte Botschaft ist: Man kann sie nicht sehen. Die meisten Menschen wissen noch nicht einmal genau, welches ihre eigenen Kulturstandards sind, schließlich hält man sie für „normal“. Öffnet ein Mann in Deutschland einer Frau die Tür, dann ist das höflich, in Australien jedoch Anzeichen einer steinzeitlichen Haltung in Sachen Gleichberechtigung. Auch innerhalb Deutschlands findet man Unterschiede: Sparen und aufs Geld achten ist normal, finden die meisten Schwaben. Und selbstverständlich gibt man dort die Bierflaschen, die der Nachbar zum Fußballabend mitgebracht hat, wieder zurück – schon allein, weil Pfand dafür anfällt! Eigenarten, die im Ruhrpott eher als geizig und knausrig erachtet werden. Dass bei der Formulierung von Kulturstandards Verallgemeinerungen nicht ausbleiben, also alle immer ein wenig über einen Kamm geschoren werden (müssen), ist klar. Natürlich gibt es Ausnahmen, entsprechen hier und da Menschen kein bisschen dem Stereotyp. Dennoch: Wer interkulturelle Gästegruppen professionell und nach deren Wünschen umsorgen möchte, kommt nicht umhin, sich um die gängigen Standards zu kümmern.

Chancen und Risiken beim Check-in
Schon beim Check-in fällt auf: Während mitteleuropäische, britische und japanische Gäste geduldig in der Schlange warten, werden asiatische und arabische Gäste schnell kribbelig – „warum dauert das nur so lange?“ In Asien und dem Nahen Osten sind die Rezeptionen oft stark besetzt, sodass Wartezeiten selten sind. Dass man japanischen Reisenden die Ungeduld nicht ansieht, ist übrigens nur der großen Bedeutung von Selbstdisziplin geschuldet. Gibt es digitale Prozesse, diese Prozedur im Vorfeld abzukürzen, werden sie von ostasiatischen, indischen, arabischen und lateinamerikanischen Gästen gerne genutzt – lediglich Japaner bevorzugen meist den persönlichen Kontakt. Ähnlich sieht es übrigens auch in Sachen Bezahlung aus: Bargeld? Das ist aus Sicht vieler Kulturen ein geradezu rückständiges Konzept, sogar die Kreditkarte verliert zunehmend an Akzeptanz bei den aufstrebenden BRIC-Reisenden. Stattdessen greift man in Indien, China, Brasilien und Korea am liebsten zu digitalen Bezahlmethoden. Bedenkt man, dass in China selbst Bettler nicht mehr Bares erbitten, sondern Almosen per QR-Code einsammeln, wird der Unterschied erst so richtig deutlich. Dies gilt übrigens auch für Gäste in fortgeschrittenem Alter. Logisch, dass daher auch ein gutes, kostenfreies WLAN immer vorausgesetzt wird.

Mehr ist besser: Das Frühstück
Wer als Mitteleuropäer jemals in einem klassischen, japanischen Kur-Hotel auf dem Lande übernachtet hat, kennt das Gefühl: Warme Sojamilch und grüner Tee anstatt Kaffee, gebratenen Fisch und Reis anstatt Brötchen mit Marmelade oder Rührei. Passt das Angebot so gar nicht zu den eigenen Vorlieben, kann dies den Start in den Tag so richtig vermiesen. Kaffee, Tee und neben den süßen Klassikern auch salzige, warme Speisen sind ein Muss. Große, internationale Hotels sind längst dazu übergegangen, beim Frühstücksbuffet verschiedene Stationen anzubieten, die die wichtigsten kulinarischen Regionen der Welt abdecken und eben auch am Morgen ein Curry oder Reis bieten.
Viel Konfliktpotential hat übrigens auch die Frage, wie ein entspanntes Frühstück aussieht: Sitzt man leise da und verkriecht sich hinter einer Zeitung? Oder diskutiert man im Familien- oder Freundeskreis die Tagesplanung? Heißt es am Buffet, ordentlich Schlange stehen oder einfach mal kurz durchdrängeln? Vor allem chinesische Gruppen sind für ihren fröhlichen Start in den Tag berühmt-berüchtigt (und das ist die kultursensible Formulierung). Erfahrene Hoteliers mit großer und sehr unterschiedlicher internationaler Kundschaft entzerren potenzielle Spannungsfelder durch eine getrennte Zeitplanung. Dies ist oft einfacher als gedacht, denn frühes Aufstehen schreckt Chinesen nicht, so dass sie gerne den frühen, vom Westler eher verschmähten Slot nehmen, während arabische Gäste eher später, am frühen Vormittag das Buffet stürmen.
Je internationaler die Gäste, desto schwieriger kann es sein, alle religiösen Einschränkungen und persönlichen Vorlieben abzudecken, egal um welche Mahlzeit es sich handelt. Wer sich mit diesem Thema nicht allzu intensiv auseinandersetzen möchte oder kann, sollte zumindest bei jeder Mahlzeit eine ordentliche vegetarische Alternative bieten, die idealerweise auch keinen Käse enthält. Für Fleisch-Liebhaber ist Hähnchen meist eine sichere Bank, die US- und Lateinamerikaner genauso glücklich macht wie arabische Teilnehmer. Eine kalte Brotzeit gilt übrigens international nicht als „anständiges“ Essen, das in den meisten Kulturen immer mehrgängig und warm ist.

Was ist im Zimmer wichtig?
Dem Hotelzimmer als Rückzugsort einer anstrengenden (weil fremden) Umgebung kommt bei weit gereisten und teils vom Jetlag geplagten Gästen eine besondere Bedeutung zu – und gut geschlafen und ausgestattet in den Tag starten, das ist in allen Kulturen wichtig. Ein Wasserkocher ist eigentlich immer Standard, denn eine schnelle Tasse Tee oder Kaffee gehört zu den Morgenritualen nahezu aller Länder. Legt man noch eine Packung Fertignudeln dazu, freuen sich viele internationale Gäste. Auch Zimmerschlappen und ein Bademantel sollte man zur Verfügung stellen, denn in den meisten Kulturen erwartet man eine gewisse Grundausstattung. Die individuelle, liebevoll dekorierte Einrichtung, wie man sie in Boutique-Hotels findet, kommt bei europäischen und japanischen Teilnehmern meist besser an als in anderen Kulturen, die die (hierzulande manchmal als steril empfundenen) Standards internationaler Marken zu schätzen wissen. Egal ob in China, Japan oder im arabischen Raum: In vielen dieser Regionen ist die Badezimmer-Ausstattung mit Utensilien wie Zahnbürste, Zahnpasta, Bürste, Lotion und anderen Kosmetika eher üppig. Das magere, in Deutschland oft übliche Shampoo/Seifen-Programm wird als geizig empfunden.

Mehr als schlafen und essen
Welche Restaurants liegen in der Nähe des Hotels? Gibt es englischsprachige Stadtführungen oder besondere Sehenswürdigkeiten? Wo kann man nach Herzenslust günstig shoppen? Je weiter die Gäste gereist sind, desto eher wenden sie sich mit dergleichen Fragen an das Hotel. Können Sie dann mit Tipps und Infomaterial aufwarten, freuen sich chinesische, arabische und japanische Besucher ganz besonders (sofern sie nicht mit einem Gruppenprogramm ausgelastet sind). In großen Städten gibt es zudem Inbound-Veranstalter die auf die verschiedenen Kulturkreise zugeschnittene Programme anbieten – lassen Sie sich einige Visitenkarten geben oder halten Sie den passenden QR-Code bereit.
Für Spannungen sorgt hier und da auch das Trinkgeld. Zehn Prozent oder gar zwanzig? Oder doch lieber nichts? Je nach Herkunft wenden viele Gäste die Regeln an, die auch in der Heimat gelten. US-Amerikaner sind daher meist etwas generöser, während Ostasiaten das Konzept des Trinkgeldes fremd ist – teils kann es in China, Korea oder Japan geradezu beleidigend sein, einen kleinen Obulus zu hinterlassen, zumal bester Service dort als selbstverständlich gilt.
Für das Hotel-Personal ist wichtig zu wissen: Für Japaner ist es ein echter Gräuel zuzusehen, wie sich Europäer durchs Leben husten und schniefen und ihre Viren nicht nur freizügig in der Luft verteilen, sondern dann auch noch jedem die Hand schütteln möchten. In Japan selbst gehörte es nämlich schon lange vor Corona zum guten Ton, bei grippalen Infekten eine Maske zu tragen, um Kollegen und Mitreisende in der U-Bahn nicht anzustecken. In China und den umliegenden Ländern wiederum gelten Tempotaschentücher als absoluter Ekelfaktor, vor allem, wenn sie nach Gebrauch wieder in der Hosentasche landen.
Das Potenzial für kulturelle Konflikte hat auch die linke Hand: Schnell mal mit links etwas am Tisch rüberreichen? Für arabische oder indische Gäste ziemlich abstoßend, denn die linke Hand gilt als unrein – sie kommt auf der Toilette zum Einsatz.

Wellness – ja, aber gut erklärt!
Gibt es im Hotel einen Wellness-Bereich, kommt dies in allen Kulturkreisen gut an. Freilich braucht es aber Erläuterungen, denn mitunter ist die Überraschung groß: NACKT IN DIE SAUNA? Wo einen andere Menschen sehen könnten? Unfassbar! Für Engländer ist dies, bei aller geografischen Nähe, ein grandioser Quell von Peinlichkeit und in den USA geradewegs illegal, von den arabischen Ländern gar nicht zu reden. Auch in Südamerika, den romanischen Ländern, Australien, Norwegen oder Dänemark ist es keinesfalls üblich, sich nackt zu zeigen. Lediglich im deutschsprachigen Raum, Belgien, den Niederlanden, Slowenien, Kroatien, Korea, Japan und dem Baltikum geht es nackt zum Schwitzen. Allerdings gilt auch in diesen Ländern oft der Grundsatz: Immer schön nach Geschlechtern getrennt. Klare Instruktionen sind hier unerlässlich.

Verbindlich gebucht! Oder auch nicht…
Langfristige und sichere Planung? Klar, das dürften die meisten Menschen für sich beanspruchen. Freilich ist man sich international sehr uneinig, was dies genau bedeutet. In China, Korea, in Lateinamerika und sogar im effizienten Singapur und Israel erwarten Menschen eine gewisse Flexibilität – und legen sie auch selbst an den Tag. Umbuchungen, Änderungen der Tagungsteilnehmer, vage Zusagen sind relativ weit verbreitet und können mitteleuropäischen Hoteliers den Verstand rauben. Hier bleibt nur eines: Klare Stornofristen setzen und nachträgliche Änderungswünsche nicht persönlich nehmen, sondern mit viel Kulanz meistern. Anders als wir monochromen Westeuropäer, die am liebsten alles mit genauer und verlässlicher Zeitangabe festsetzen und ein striktes Management beherrschen, laufen die Projekte in polychromen Kulturen gleichzeitig ab. Das geht nicht ohne Termin-Kollisionen – schließlich kann jederzeit ein anderer wichtiger, aber noch kürzer anberaumter Termin dazwischenkommen.

Komplizierte Namensgebung
Vorname, Nachname, fertig. Oder? Ausländische Reisende tun sich mitunter gar nicht so leicht, ihre Namen in die deutsche Konvention zu übertragen. So gibt es in Indien und Indonesien etliche Regionen, in denen die Menschen nur einen (Vor)-Namen tragen und diesen dann im Ausland einfach verdoppeln, um beide Felder ausfüllen zu können. Asiaten überraschen mitunter mit eigenen Kreationen, die die asiatische und die europäische Norm vermischen. Dabei setzen sie einen westlichen Vornamen vor den asiatischen Familiennamen, gefolgt vom eigentlichen Vornamen. Im arabischen Raum ist es noch ein wenig komplizierter, denn Namen können aus bis zu fünf optionalen Teilen bestehen, die allerdings keine feste Reihenfolge haben und sowieso nicht alle in die üblichen Formulare passen.

Zimmerausstattung, Kulinarik, Freizeitangebot, Service und Formalitäten – sind sich Gastgeber bereits im Vorfeld der Eventualitäten und Herausforderungen bewusst, die im Zuge einer Tagung mit internationalem Teilnehmerfeld auf sie zukommen könnten (und ziemlich sicher werden), sind sie in der Lage, beste Voraussetzungen für das Gelingen zu schaffen, Fettnäpfchen zu umgehen und auch bei kurzfristigen Änderungen die innere Ruhe nicht zu verlieren. Zweifellos fällt ein professioneller Umgang mit internationalen Gästen bei der Zielgruppe positiv auf – und kann schon bald, Social Media sei Dank, zu einer stark ansteigenden Nachfrage führen.

Autorin: Françoise Hauser


Den kompletten Artikel finden Sie in Print-Ausgabe 02-2025, die ab 16.07.2025 auch als blätterbares PDF hier zur Verfügung steht: